Do., 30.10., 19.30 Uhr Kolping-Forum
Rechtsextremismus in Frankreich – Wie geht es weiter mit dem Rassemblement National
Vortrag von Dr. habil. Landry Charrier
„Das Drama geht weiter“, so begann Dr. Landry Charrier – Gastautor bei Focus Online und Leiter des Blogs ‚Franko-viel‘ – seinen Vortrag zu den politischen Entwicklungen in Frankreich. Die Situation ist schwierig, instabil, die französische Nationalversammlung, ‚Assemblée Nationale‘, zersplittert, insbesondere links vom Rassemblement National (RN), der extremen Rechten. In Frankreich scheint es unüblich, Kompromisse zu schließen. Kompromiss, so Charrier, werde gleichgesetzt mit ‚sich kompromittieren‘, ist also etwas Negatives und schade eher.
So entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, der RN sei ein Anker und stehe für Stabilität. Einsparungen sind schwer vermittelbar.
Der linksradikale französische Politiker Jean-Luc Mélenchon sowie viele Franzosen betonen, es seien nicht die Schulden des französischen Volkes, sondern die des Staates. Die Politik des „Koste es, was es wolle“ scheint weit verbreitet. Der Staat werde es schon richten und für sein Volk sorgen. Es sei genügend Geld vorhanden, aber falsch verteilt.
Die Ansicht des früheren sozialistischen Politikers Lionel Jospin „L’état ne peut pas tout“, der Staat könne nicht für alles sorgen, scheint auf wenig Verständnis in der französischen Bevölkerung zu stoßen.
Charrier führt aus, Marine Le Pen gelinge es, als konstruktiv wahrgenommen zu werden. Nach dem Prozess wegen Veruntreuung von EU-Geldern macht ihr der erst 30jährige Jordan Bardella den Platz streitig und versucht, Neuwahlen in Frankreich zu provozieren. Charrier ist der Ansicht, dass Le Pen auch nach dem Berufungsprozess unwählbar bleibt und Bardella dann als Kandidat des RN zur Wahl antritt. Der Referent beschreibt die Wandlung Bardellas, der neuerdings eine Brille trägt und sich einen Bart wachsen lässt. Er hat bereits 2 Bücher veröffentlicht, was in Frankreich vor einer Wahl gut ankommt.
Sébastien Lecornu – derzeitiger Premierminister Frankreich – scheint die „dernière cartouche“ Macrons zu sein. Aber der Ruf nach einem „starken Mann“ sei in der Bevölkerung stark vertreten.
„Der Sieg des RN ist wahrscheinlich, aber nicht unvermeidlich“, so Charrier. Er hofft auf eine interne Führungskrise in der Frage nach dem Präsidentschaftskandidaten des RN.
Für die deutsch-französischen Beziehungen sehe es bei der Wahl eines RN-Präsidenten schlecht aus. Für den RN ist die binationale Partnerschaft zwischen den beiden Ländern „toxisch“. Deutsch zu sprechen, sei Sache der Eliten, nicht die des Volkes.
Deshalb plädiert Charrier dafür, in den nächsten eineinhalb Jahren vor der Präsidentschaftswahl den Mehrwert der deutsch-französischen Partnerschaft sichtbar zu machen. Merz und Macron sollen Geld in bewährte Instrumente zur Stärkung der deutsch-französischen Achse stecken, wie z.B. das deutsch-französische Jugendwerk oder den Bürgerfonds. Auch der „pass culture“, der Kulturpass, den es in Frankreich und in Deutschland gab und von Deutschland wieder gestrichen wurde, solle auf ganz Europa ausgeweitet werden. Eine Idee sei auch, dass Deutschland-Ticket auszuweiten. Viele kleine Maßnahmen, die gerade jungen Menschen die Vorteile und die Freiheiten in Europa deutlich machen, seien oft sehr wirksam und können sich auf die Wahlen auswirken, so die Idee Charriers.
Nach dem Vortrag entstand eine rege Diskussion unter den Zuhörenden. Dabei begründete Charrier die Weigerung der Zusammenarbeit des RN mit der AFD damit, dass die AFD dem RN zu radikal sei. Le Pen vermeide eine Zusammenarbeit mit einer Partei, die evtl. verboten werden könnte. Der RN möchte sich als normale, wählbare Partei darstellen. Marine Le Pen zeige sich deshalb gern mit Katzen.
Auch die Wichtigkeit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Länder wurde in der Diskussion hervorgehoben.
Charrier unterstrich am Ende nochmal, dass er sich große Sorgen um die deutsch-französischen Beziehungen mache, verneinte aber Bestrebungen des RN, aus der EU auszusteigen. Ein „Frexit“ stehe nicht zur Debatte.
Ja, das „Drama“ wird tatsächlich noch weiter gehen!



